PODIUM - Wolfgang Wendel
Schon wieder ein Geleitwort
Wir kennen das: Verfasser von „Geleitworten” versuchen die im Kern immer gleichen Wünsche und Ratschläge zum unendlichsten Male neu zu formulieren. Als Leser ahnt man nach den ersten Zeilen den Fortgang Geschichte - und wie sie enden wird.
In der Anlaufphase zu diesem Vorwort fügten sich nach einigen nicht niedergeschriebenen Versuchen die nachfolgend skizzierten Inbilder wie von alleine zusammen:
Im Jahr 2015 war ich beim Geburtstag einer DREI Jahre jungen Dame.
Als diese bei einem gerade ausgepackten Geschenk nicht wissen konnte, dass zum Funktionieren noch eine Batterie eingesetzt werden musste, versuchte ich ihr dies mit den Worten „Lass’ Dir das erklären” zu vermitteln. Zurück kam die leicht empörte Antwort: „Mir muss niemand etwas erklären!”
2016 war ich auf der Feier des VIERTEN Geburtstages der gleichen jungen Dame. Eingedenk der vorjährigen Erfahrung versuchte ich in einer ähnlichen Situation, etwas diplomatischer vorzugehen: „Darf ich Dir das erklären”. Ähnlich empörte Antwort: „Du brauchst mir nichts erklären, ich weiß schon alles!”
Ohne Kommentar zu der selbstbewussten Weltsicht des Mädchens zur Aussage eines englischen Studenten: „Als ich zu studieren begann, hatte ich viele offene Fragen. Als ich mit dem Studium fertig war, hatte ich noch mehr offene Fragen - aber auf einem höheren Niveau ...”
Der über 90-jährige Pablo Casals antwortete auf die Frage, warum er immer noch täglich übe, in etwa: „Weil ich das Gefühl habe, Fortschritte zu machen!”
Bitte selbst weiterdenken ...
Ein Bild kann eine Geschichte erzählen, es kann klingen…
Worte vermögen ein Bild oder eine Musik zu beschreiben…
Musikstücke beschwören Bilder herauf oder erzählen eine Geschichte…
Im Jahr 2013 erhielt ich den Auftrag, Stücke für den Klavierwettbewerb des Piano-Podiums Karlsruhe zu schreiben, der 2015 stattfinden soll. Eine wunderbare Aufgabe, für die ich mich bei Prof. Sontraud Speidel bedanken möchte.
Ebenso eine große Herausforderung, die mir gleichzeitig einen „Riesenspaß“ bereitete. Führt das Komponieren, gerade auch für Kinder, im Zusammenhang mit der Titelfindung zu teils fast vergessenen Bereichen einer bunten Erlebnis-und Phantasiewelt der eigenen Kindheit, die unbeschwert noch alles offen lässt…
So „offen“ wollen auch die Stücke sein. Dem Klischee, wie Neue Musik zu klingen hat, soll hier der Schrecken genommen werden. Nicht die Neue Musik ist das Übel, sondern der Umgang damit, oder das vollständige Meiden derselben und die verbreitete Scheu, Neues zu versuchen. Und genau hier wollen zunächst einmal die eingangs formulierten Zeilen ermutigen, auch außermusikalische Assoziationen zu gebrauchen bzw. zuzulassen.
Daher die Titel: Fabulatorium: groteske, surreale Phantasietiere, Katzenmusik: verschiedene Katzenbilder. Die Geschichte vom chromatischen Schweizerkäse mit auskomponierten Löchern etc…
Das kompositorische Material bei den kleinen Stücken ist oftmals aus dem anfangs gegebenen Tonvorrat abgeleitet, der gleichzeitig über einen fixierten Fingersatz verfügt und somit eine Art „Lagenspiel“ ermöglicht. Dies ist vielfach als Reihe oder Akkord zu Beginn der jeweiligen Komposition angegeben. Soweit die jüngeren Jahrgänge.
Für die „Älteren“ gibt es, außer wesentlich komplexeren Stücken, noch eine Graphik, eine Einladung zum Experimentieren…
Obwohl die Stücke individuell sehr verschieden sind, haftet deren harmonischem Klangbild eine Gemeinsamkeit, gewissermaßen der rote Faden, an: die schlüssige Verbindung unterschiedlicher Tonsprachen, d.h. Altes wird aus seinem stilistischen Zusammenhang genommen, mit Zeitgenössischem verarbeitet und bildet so einen neuen, beinahe surrealen Kontext…
Die Idee, einen Klavierwettbewerb zu veranstalten, der die zeitgenössische Musik fördert, indem er sich zum Einen an junge Leute und Kinder richtet, zum Anderen jedem der Mitwirkenden eine Anerkennung zusichert, finde ich sehr gut. So wünsche ich allen Mitwirkenden viel Spaß, reichlich Phantasie, Humor, Geduld und viel viel Experimentierfreude beim Üben und Ausführen meiner Klavierstücke!